©Jens Gloy

Eine Reise durch Kanadas Westen Teil 2

Keine Straßenbahn, also außer einer kurzen Sight-Seeing-Tour durch den Stadtkern nichts gewesen. Weiter ging es auf dem Highway 3A über die sehr schöne Brücke kurz hinter Nelson auf die Nordseite des Kootenay Lake bis Balfour. Wie schon auf dem Upper Arrowlake erlebt, ging die Reise auch hier nur über eine Fährverbindung weiter. Die MV „Osprey 2000“ brachte uns zum anderen Anleger „Kootenay Bay“.

Von da an wendet sich der Highway 3A wieder nach Süden am Ostufer des Kootenay Lake entlang. Kurz hinter Gray Creek hätten wir nach Osten in Richtung Kimberley abbiegen können, aber es hatte kurz vorher zu regnen begonnen, das Tageslicht wurde immer weniger und zu allem Überfluss führte die ausgesuchte Route über eine Naturstraße. Hier war also wieder spontane Planungsänderung angesagt. Weiter ging es also südwärts in Richtung Creston, um Kimberley zu erreichen, ein Umweg von etwa 130 km.

Also hielten wir in der inzwischen hereingebrochenen Dunkelheit und dem stärker gewordenen Regen Ausschau nach einer Unterkunft. Lange Zeit war auf der einsamen Straße weit und breit kein Licht zu sehen, selbst in dem winzigen Ort Boswell waren alle Lichter aus. Aber dann entdeckten wir den Hinweis auf ein B&B. Wir wollten schon wieder weiterfahren, als uns auf unser Läuten doch noch geöffnet wurde, unsere Frage nach einem Zimmer wurde positiv beantwortet und dann die Überraschung: wir bekamen ein ganzes Haus! So konnten wir uns ausbreiten, um die nassen Anzüge zu trocknen und die übrige Ausrüstung wieder in Ordnung zu bringen. Nach einem kleinen improvisierten Abendessen aus mitgebrachten Snacks genossen wir im Schlaf die himmlische Ruhe, die nur durch das plätschern des hinter dem Haus verlaufenden Baches unterbrochen wurde.

Die nächste Überraschung erwartete uns am Morgen. Die Hausherrin servierte uns zum Frühstück eine frisch gebackene Quiche mit dem Hinweis, sie habe extra mit ihrer Schwester in Mexico telefoniert, um zu erfahren, was Gäste aus Deutschland zum Frühstück mögen. Das sei auf keinen Fall “Ham and Eggs“ und so kamen wir in den Genuss von etwas Besonderem außer dem auch sonst reichlichen Morgenmahl.

Wir müssen wohl interessante Gäste gewesen sein, denn im Verlaufe des gemeinsamen Essens kamen immer mehr Verwandte und Freunde an den Frühstückstisch und es ergaben sich viele nette Gespräche. Unter Anderem war auch die Empfehlung dabei, nicht den kürzeren Weg nach Kimberley zu nehmen, der sei durch die Regenfälle der letzten Tage für unser Motorrad nicht geeignet.

Da wir den Abzweig ohnehin schon sehr weit hinter uns hatten, verließen wir Pat und Ramona Holbrook, aber nicht ohne noch ein paar Fotos des hinter dem Haus rauschenden Wasserfalls gemacht zu haben, weiter in Richtung Süden. In Creston erreichten wir dann den Highway 3 wieder, dem wir bis Cranbrook folgten. Nach der dortigen Versorgung von Mensch und Maschine mit neuem Brennstoff schlugen wir den Weg nach Kimberley ein.

Kimberley wurde 1896 nach der gleichnamigen Mine in Südafrika benannt. Die Vorkommen an Blei und Zink ließen 1917 die Sullivan Mine entstehen, bis zur Schließung 2001 die größte der Welt für diese Metalle. Aber schon in den frühen 1970er Jahren erkannte man, dass die zur Neige gehenden Erzvorkommen einen Strukturwandel zur Folge haben mussten und wandelte die Stadt in einen Touristenort um. In der Folge bekam der Ort ein „bayrisches“ Aussehen und einen etwas außerhalb gelegenen Ski-Zirkus ähnlich wie zuvor beim Apex-Mountain beschrieben, mit allen Varianten, die der Sport im Schnee bietet. Die Eisenbahnstrecke nach Cranbrook wurde zurückgebaut und man kann heute auf ihr von einem Ort zum anderen wandern.

Nun ist für unsere Augen der nachgeahmte bayrische Look nicht so sehr anziehend, ein Spaziergang über das „Platzl“ reichte uns als Stadtbesichtigung und wir fuhren zurück nach Cranbrook. Dort waren uns schon auf der Hinfahrt das große Bahnhofsgelände und die Denkmal-Lokomotiven davor aufgefallen und das wollten wir uns noch einmal ansehen. Bei näherem Hinsehen machte die Diesellok 4090 jedoch einen sehr vernachlässigten Eindruck. Das alte Bahnhofsgebäude entpuppte sich als historisches Denkmal, hierher transportiert aus dem Ort Elko, durch den wir bei der Weiterfahrt noch kommen würden, und zusammen mit dem Wasserturm an dieser Stelle wieder aufgebaut. Das eigentliche „Canadian Museum of Rail Travel“ konnten wir nach der Besichtigung der riesigen Gleisanlagen des Güterbahnhofs Cranbrook nicht mehr besuchen, es wurde Zeit für die Weiterfahrt.

Bedingt durch die geologischen Gegebenheiten führt der Highway 3/93 zunächst in südöstliche Richtung durch den Kootenay-Graben, auch Rocky Mountain Trench genannt, am Kootenay River entlang, dann trennen sich die Wege beim Zufluß des Elk River, wo der Highway 3 durch das Elk River Valley wieder nach Nordost abbiegt. Die auch „Crowsnest Highway“ genannte Straße führte uns parallel zur Eisenbahnlinie über den kleinen Ort Elko am Anfang des Tales bis nach Sparwood. Am Einfallstor zum Stadtbezirk zeigte das Thermometer 13 °C an. Das Visitor Centre lag wie auf dem Tablett direkt vor uns, mit der Welt größtem LKW als Denkmal an die große Zeit des Kohlebergbaus in der Gegend. Mit einer Länge von mehr als 20 m, einer Höhe von knapp 7 m, einer Breite von fast 8 m und einem Leergewicht von 260 Tonnen ein wahrhaft imponierendes Zeugnis der Bergbauindustrie.

Im Valley Motel direkt am Highway fanden wir Unterkunft. Beim Abendessen im angeschlossenen Restaurant besprachen wir die Weiterfahrt und kamen zu dem Schluss, wieder einmal die geplante Route zu verlassen. Das Wetter hatte sich deutlich verschlechtert, ohne Aussicht auf Besserung in kürzerer Zeit. Geplant war ein Abstecher zum Waterton Lakes National Park, den wir kurzerhand ad acta legten.

Der Morgen des 08. September fing mit Regen an. Es gab zum Glück eine kleine Überdachung direkt neben unserem Zimmer, das Packen des Motorrades ging also fast trocken vonstatten. An der Tankstelle kamen wir mit dem Tankwart ins Gespräch, der uns nach dem üblichen „Woher und Wohin“ und „Was ist das für ein Kennzeichen?“ erzählte, dass seine Mutter in Deutschland lebt, im für uns nahen Sauerland.

Die Wetterverhältnisse während der folgenden Fahrt bestärkten uns in unserem Entschluss, direkt in Richtung Canmore zu fahren. Einen kleinen Halt legten wir aber noch am „Frank Slide“ ein.

Hier sind die Wunden eines Felssturzes noch sehr deutlich zu erkennen. Am 29. April im Jahre 1903 stürzten 30 Millionen Kubikmeter Kalkgestein vom Gipfel des Turtle Mountain zu Tal und begruben einen Teil des Dorfes „Frank“ unter sich. Von den damals 600 Einwohnern lebten 100 in der Sturzrichtung der Steinlawine, 70 von ihnen kamen bei dem Unglück zu Tode. Es gab aber auch die wundersame Rettung dreier Mädchen und zweier kompletter Familien, deren Häuser völlig zerstört wurden, 17 eingeschlossene Bergleute konnten sich 14 Stunden nach dem Unglück aus dem Berg selbst befreien und ein Bahnmitarbeiter konnte einen sich nahenden Personenzug nach dem Klettern über die Gesteinstrümmer durch Flaggensignale noch rechtzeitig zum Halten bringen. Nur 3 Wochen nach dem Erdrutsch war die auf 2 km verschüttete Eisenbahnstrecke wieder befahrbar, die Straße wurde zunächst umgeleitet und in längeren Etappen zum heutigen Highway No. 3 ausgebaut.

Mit dem Passieren des Crowsnest Passes waren wir im Staat Alberta angelangt, verließen die felsigen Berge der Rocky Mountains und traten in eine andere Zeitzone ein, ab hier gilt Mountain Time. Merklich flacher wurde das Gelände und wir bekamen eine Ahnung von den riesigen Weiten dieses Teils Kanadas. Der Eindruck verstärkte sich noch, als wir vom Crowsnest Hwy auf den Highway 22 nach Norden abbogen. Auf dem Weg bis Longview begleiteten uns endlose Weidegründe, nur unterbrochen von ein paar einsamen Farmgebäuden.

Der fast schnurgerade Highway verläuft kurz vor Longview zusammen mit dem Highway 40, dem wir von dort an nach einer guten Mittagsrast und Auffüllen des Motorradtanks weiter folgten. Jetzt ging es wieder näher an die Berge heran, deren Gipfel leider in einer niedrig hängenden Wolkendecke verschwanden. Es wurde auch merklich kälter und beim Erreichen des 2206 m hoch gelegenen Highwood Passes hatten wir 5 cm Neuschnee neben der Straße, wegen der Lufttemperatur knapp über dem Gefrierpunkt aber kein Glatteis.

Auch hier wieder die Entscheidung, von der geplanten Route abzuweichen, denn den hier abzweigenden gesamten „Smith Dorrien Trail“ als Naturstraße bei diesem Wetter zu fahren, schien uns nicht ratsam. Also ließen wir den Abzweig hinter uns, blieben auf dem Hwy. 40. Dass es in Kanada Leute mit Humor gibt, bewies uns ein leicht verändertes Hinweisschild auf den Rastplatz „Opal“, benannt nach dem „Opal Peak“ in der Nähe von Jasper. Jemand hatte mit Isolierband das „l“ so überklebt, dass es wie ein Ausrufungszeichen aussah: Opa! Mit dem Passieren von Barrier Lake und Mount Baldy fuhren wir ins Kananaskis Country ein mit dem Bow Valley, in dem Canmore gelegen ist.

Der Hwy 40 endet aus unserer Richtung gesehen am Trans Canada Highway, dem wir aber nur bis zur Abfahrt nach Seebe folgten. Hier mündet der Kananaskis River in den Bow River, dem der parallel verlaufende Bow Valley Trail folgt und viel schöner zu befahren ist als der Highway 1. Anstatt der sonst üblicherweise rechteckigen Begrüßungsschilder der Ortschaften fanden wir das für Canmore am oberen Rand gezackt vor. Es sollte uns erst viel später auffallen, warum das so war. An der Mainstreet von Canmore fanden wir das Bow Valley Motel, das für die nächsten zwei Nächte unser zu Hause sein sollte.

Am 09.09. morgens hatte sich das Wetter wieder beruhigt, es gab zwar noch etliche Wolken am Himmel, aber Regen war nicht in Sicht. Der Blick aus unserer Zimmertür über die Häuser der Stadt hinweg öffnete uns jetzt die Augen für die merkwürdige Gestaltung des Ortsschildes: dargestellt war die Silhouette des Bergstocks „Three Sisters“, der den Ort Überragt.
Jetzt konnten wir unser Vorhaben in die Tat umsetzen, den Smith-Dorrien-Trail zu fahren, denn hier in Canmore ist das andere Ende dieser Straße. Am Berghang des südlichen Endes von Mount Rundle schlängelt sich die Straße ca. 300 m weiter hoch über den Ort bis auf 1700 m in das Bow Valley Wildland zu den Spray Lakes. Am Staudamm, der das Entstehen der drei Seen zur Energiegewinnung ermöglichte, endete der Asphaltbelag der Straße. Von hier an bestand der Weg aus festgefahrenem Lehm, von den vorangegangenen Regentagen noch mit Pfützen gesprenkelt, aber befahrbar.

Die Spray Lakes liegen zwischen der westlichen Goat Range und dem östlich aufragenden Gebirgsstock der „Three Sisters“ und werden von den Bächen gespeist, die aus den umliegenden Bergen kommen. Durch den Staudamm wurden sie zu einem Wasserspeichersystem verbunden, das letztlich nach der Erzeugung von Strom über den Spray River in den Bow River entwässert.

Wir fuhren an den Seen ein gutes Stück ins Tal hinein, bis der Weg zu matschig wurde und wir auch nicht unbedingt von den Lehmfontainen der überholenden Autos getroffen werden wollten. Also zurück ins Bow Valley auf den Hwy 1. Etwa 5 km in Richtung Banff unterbrach die Mautstation des Banff-National-Parks die Fahrt. Parallel zum Gebirgszug des Mount Rundle führt der Trans Canada Highway mitten durch das Bow River Tal direkt auf den mächtigen 2998 m hohen Cascade Mountain zu, als wolle er darin verschwinden, doch kurz vorher macht die Straße einen scharfen Bogen nach links in Richtung Banff. Hier zweigt nach rechts aber auch die Zufahrt zum Lake Minnewanka Loop ab.

Der Lake Minnewanka war ursprünglich ein Gletschersee, der 1912 zur Energie-gewinnung für die entstandenen Kohlebergwerke und die ringsum aufblühenden Orte mit einem Damm künstlich erweitert wurde. Dieser Damm, die am damaligen Ufer entstandenen Gebäude und eine Landungsbrücke für Ausflugsdampfer wurden durch den Bau eines noch höheren Dammes im Jahr 1941 überflutet. Der See wuchs dadurch zu seiner heutigen Größe an, 28 km lang und 142 m tief, damit der größte See in den Berg-Parks der Rocky Mountains. Das durch den Cascade River und andere kleinere Bäche gespeiste Gewässer ist sehr klar und wurde deshalb nicht nur für Bootsfahrer, sonder auch für Taucher zu einem begehrten Ziel, die gerne die alten Gebäude unter Wasser besuchen.

Auf dem Lake Minnewanka Loop fuhren wir einmal um das Vorbecken des Sees herum, mit Überquerung des Staudammes und vorbei am Two Jack Lake, der etwas tiefer liegt und mit einem Damm abgetrennt ist, dann nach Banff hinein. Heute wollten wir uns hier nur einmal umsehen, um für den nächsten Tag planen zu können. Vom Tunnel Mountain hatten wir schon im Reiseführer gelesen, dass es auch hier in Banff warme Quellen gibt, war für uns aber neu. Also fuhren wir hinauf zu dem großen Parkplatz und schauten uns dort um. Im Café des Badehauses berieten wir die Unternehmungen des nächsten Tages: Aufstieg auf den Tunnel Mountain, dann Bad in der heißen Quelle und anschließend eine Fahrt mit der Seilbahn auf den Sulphur Mountain, denn nicht nur für die Gäste des Bades war der Parkplatz angelegt, sondern auch für die Talstation der Bergbahn. Dann fuhren wir wieder nach Canmore zurück, denn es galt, das Motorrad zu reinigen, es haftete doch zuviel Lehm vom Smith-Dorrien-Spray-Trail daran. Den Schlummertrunk nahmen wir dann in der benachbarten Grizzly Paw Hausbrauerei, die einige Spezialitäten an flüssigem Brot auf der Speisenkarte hat.

Mit dem wieder sauberen Motorrad machten wir uns zeitig am nächsten Tag erneut auf den Weg nach Banff. Die Stadt erhielt ihren Namen nach der Geburtsstadt des ehemaligen Direktors Lord Stephen der Canadian Pacific Railway mit gleichem Namen in Schottland. Der gleichnamige Nationalpark wurde schon 1885 gegründet und ist damit der älteste in Kanada. Zunächst nur als kleineres Gebiet rings um die heißen Quellen gehört er heute mit 6.641 km2 zu den größeren Parks in den Rocky Mountains.

Viele der für Kanada typischen großen Tierarten leben hier, die Bären, die großen Hirscharten, Bergziegen und Dickhornschafe, Luchs und Wolf. Mit diesen „Ureinwohnern“ des Parks gerät der Besucheransturm von jährlich etwa fünf Millionen Menschen stark in Konflikt, den die Parkverwaltung durch strenge Auflagen zu regeln versucht.

Als erstes wollten wir an diesem Tag einen Spaziergang auf den Tunnel Mountain machen. Schon vom Highway aus ist dieser Berg gut erkennbar als kleinere Erhebung zwischen Cascade Mountain und Mount Rundle. Wegen seiner Form in der Betrachtung aus nördlicher oder östlicher Richtung wurde er von den First Nations „Sleeping Buffalo“ genannt. Bei der Erforschung des Gebietes im Jahr 1882 im Rahmen der Streckenführung für die Canadian Pacific Railway schien der einfachste Weg durch das Tal des Bow Rivers mit der Durchtunnelung dieses Berges gefunden zu sein. Weil diese Pläne aber einerseits den Bau der Bahn stark verzögert und andererseits auch höhere Kosten verursacht hätte, wurden sie durch den General Manager der CPR schnell verworfen. Es wurde ein besserer Weg gefunden, der nördlich um den Berg herumführt. Der Tunnel wurde nie gebaut, aber der Berg trägt seit dem seinen heute gültigen Namen.

Vom kleinen Parkplatz am Beginn des ausgebauten Weges machten wir uns auf den Marsch zum Gipfel. Der 4,3 km lange Aufstieg hat eine sehr moderate Steigung und man ist in recht kurzer Zeit auf dem 305 m hohen Berg. Die Aussicht von hier oben eröffnet einen Panoramablick über die Stadt, das Bow Valley zu beiden Seiten und die Wildnis des nahen Naturreservates. Nicht ohne Grund gab es hier einmal einen Feuerwachturm, dessen Grundmauern noch zu sehen sind. Der Weg auf den Berg ist auch eine beliebte Strecke zum Laufen, wir wurden einige Male überholt, unter Anderem von einem Jogger mit Babyrucksack samt dem dazugehörenden Kind darin. Wir hatten auch einige bekanntere „Vorläufer“, eine Bewohnerin von Banff schaffte den Auf- und Abstieg über 8000 mal innerhalb von 40 Jahren, auch 2 mal am Tag und nicht zuletzt König Georg VI. mit seiner Frau Elisabeth, die im Jahr 1939 hier oben waren.

Der kalte Wind, der uns auf dem Gipfel um die Ohren pfiff, erinnerte uns an das nächste Vorhaben des Tages, den Besuch der heißen Quellen. Wir nahmen den direkten Weg zum großen Parkplatz, die Badesachen und schon konnten wir uns in dem warmen Wasser von unseren „Strapazen“ erholen. Eine kleine Zwischenmahlzeit im Café des Hauses machte unsere Lebensgeister noch wacher und so gerüstet nahmen wir den nächsten Berg in Angriff.
Es gibt zwar einen gut begehbaren Weg auf den Sulphur Mountain, aber wir bevorzugten dieses Mal den bequemeren Weg mit der Seilbahn. In 8 Minuten brachte uns die Gondel zur Gipfelstation. Natürlich ist es hier oben eben wegen des mühelosen Aufstiegs nicht mehr sehr ruhig, denn viele Leute wollen gleichzeitig die Aussicht genießen. Etwas weniger los war auf dem benachbarten Gipfel „Sansons Peak“. Der Banff SkyWalk führt dorthin, wo die historische Wetterstation erhalten ist und Tafeln mit Erklärungen auf die inzwischen abgebaute Station für die Erforschung der kosmischen Strahlung hinweisen.

Wir hatten schon geahnt, dass die Unternehmungen dieses Tages viel Zeit beanspruchen würde und am Morgen den Aufenthalt in Canmore um einen Tag verlängert. So konnten wir die Aussicht vom Sulphur Mountain lange genießen und ohne Stress unsere Weiterfahrt für den nächsten Morgen vorbereiten.

Die ursprünglich geplante Fahrt bis Radium Hotsprings haben wir wegen gehabter Badefreuden in den warmen Quellen von Banff abgekürzt. Das Regenwetter des 11.09. mit auch noch einstelligen Temperaturen war sowieso nicht dazu angetan, unnötig lange auf dem Motorrad zu sitzen. Der kurze Abstecher auf den Mount Norquay machte bei dem Wetter nicht viel Spass, aber den Marble Canyon, die Paint Pots und die Numa Falls wollten wir unbedingt sehen.

Es gibt mehrere „Marble Canyons“ in Kanada, dieser liegt am nördlichen Ende des Kootenay Nationalparks. Über den zuvor passierten Vermillion Pass waren wir wieder in British Columbia angelangt. Für uns als wetterfest gekleidete Motorrad-Touristen war das regnerische Wetter kein Problem und hatte sogar den Vorteil, dass wir den Canyon für uns alleine hatten.
Bei dem Rückzug der Gletscher am Ende der letzten Eiszeit entstand durch das Abschmelzen des Eises im Prospector’s Valley der Tokumm Creek. Dessen Schmelzwasser floss zu der Zeit direkt über einen Wasserfall in den tiefergelegenen Vermillion River. Durch den Druck der Eismassen war das ursprüngliche Kalkgestein zu Marmor rekristallisiert und die großen Mengen an Wasser wuschen im Laufe der Zeit einen Spalt zwischen den Marmorblöcken immer tiefer aus. So wanderte der Wasserfall immer weiter zurück in das Prospector’s Valley hinauf und bildete den Canyon so, wie wir ihn heute sehen.

Die Ergebnisse dieser geologischen Vorgänge wurden touristisch erschlossen, und so konnten wir über die Brücken, die die Schlucht überspannen, bis zum Wasserfall an seiner heutigen Stelle wandern. Auffallend waren beim Wandern entlang der Schlucht die vielen verkohlten Baumstämme im gesamten Tal. Hier wütete im trockenen Sommer 2003, durch einen Blitzschlag ausgelöst, ein Waldbrand 40 Tage lang, 170 km2 Waldfläche des Kootenay Nationalparks verbrannte. So traurig die verkohlten Stämme auch aussahen, all das frische Grün, die vielen jungen Bäume, die aus Samen entstanden und die Blumen überall zeigten uns, dass die Regeneration des gesamten Gebietes auf natürliche Weise schon weit fortgeschritten war.

Während unserer kurzen Wanderung hatte sich das Wetter gebessert und wir beschlossen, noch zwei weitere markante Stellen im Kootenay Nationalpark aufzusuchen. Vom Marble Canyon bis zu den Paint Pots sind es gerade mal 2,5 km, die wir schnell hinter uns brachten.
Vom Parkplatz am Highway 93 aus gelangt man über eine Hängebrücke zu Fuß über den Vermillion River auf den Weg zu den Ocker-Feldern, die sich hier gebildet haben. Das eisenreiche Wasser, das in den zahlreichen Quellen zu Tage tritt, hat die lehmige Erde in allen Schattierungen von rot bis gelb oxidiert. Seit langer Zeit wurde diese Erde von der Urbevölkerung zur Herstellung von Farben für die Bemalung von Felsen, Leder und Stoffen und als Körperfarbe benutzt, daher der rührt der heutige Name Paint Pots. In den frühen 1900er Jahren entdeckten die weißen Siedler diese Ocker-Felder als wirtschaftliche Grundlage zur kommerziellen Verwertung für die Farbherstellung. Die Erde wurde mit Maschinen abgebaut und bis nach Calgary verfrachtet. Glücklicherweise dauerte die Ausbeutung nicht lange, da man den Wert der Gegend als Naturerbe erkannte. Der Abbau wurde beendet, die Maschinen und Geräte ließ man zurück. Die Reste sind heute noch zu finden und auch die Gräben, die damit erzeugt wurden.

Weitere 4,5 km südlich der Paint Pots zwängt sich der Vermillion River durch eine felsige Engstelle und lässt dadurch die Numa Falls entstehen. Der sonst eher gemächlich fließende Fluss tost hier durch eine schmale Klamm aus schwarzem Felsgestein, bis sich das Tal wieder weitet.

Die Eindrücke ließen uns den Regenstart am Morgen vergessen, auf dem Vermillion Pass legten wir noch einen kurzen Halt ein beim Denkmal für die kontinentale Wasserscheide, das auch die Grenze zwischen British Columbia und Alberta kennzeichnet, und fanden dann für das Mittagessen die „Storm Mountain Lodge“. Das Haupthaus im Blockhaus-Stil mit Restaurant liegt ein wenig abseits der Straße, die zu mietenden Cabins in einem weitläufigen, waldigen Gebiet hinter dem Haus. Hier wäre ein Domizil für eine nächste Reise! Die Küche des Hauses lieferte ein sehr gutes Essen, wir stiegen gestärkt auf unser Motorrad und fuhren nach Lake Louise, wo wir im „Lake Louise Inn“ ein gutes Zimmer bekamen.

Es war später Nachmittag, als wir unser Gepäck abgeladen hatten. So beschlossen wir, den Rest des Tages zu nutzen und machten uns auf den Weg zum Moraine Lake. Er liegt im „Valley of the ten peaks“, dessen Name abgeleitet ist von den zehn Berggipfeln, die die Wenkchemna Range umgeben auf einer Höhe von 1884 m. Anders als bei den meisten Gletscherseen entstand dieser nicht durch die Endmoräne, obwohl sein Name das vermuten lässt, sondern durch einen gewaltigen Felssturz, der dann das Schmelzwasser der umgebenden Gletscher aufstaute. Von diesem Hügel aus hat man einen wundervollen Blick über den See mit den sich darin spiegelnden Bergen und Gletschern. Dieser Ausblick ist eines der am häufigsten fotografierten Motive in Kanada und ziert die 20-Dollar-Banknote.

Wir hatten uns länger am See aufgehalten, als wir zunächst wollten. Es dämmerte schon, als wir uns auf den Weg zum Lake Louise machten, der dem nahen Ort seinen Namen gab. Auch dies ist ein Gletschersee, die einzigartige türkisblaue Färbung stammt von dem Steinmehl, das vom Gletscherschmelzwasser in den See gespült wird. Namensgeberin war Prinzessin Louise Caroline Alberta, eine Tochter von Königin Victoria von Großbritannien. Am Ostufer des Sees steht das bekannte „Château Lake Louise“, ein Fünf-Sterne-Hotel, das nach einer Feuersbrunst im Jahre 1924 in seiner heute noch bestehenden Form wieder aufgebaut wurde. Auch dieser See hat ein schönes Panorama, aber uns gefiel der Moraine Lake besser.

Der 12.09. begrüßte uns mit trübem Wetter, es nieselte leicht, so nahmen wir gerne den trockenen Platz unter dem Vordach der Rezeption in Anspruch, für die Weiterreise zu packen. Im Yoho-Nationalpark gibt es nicht nur Naturwunder, sondern auch eine technische Meisterleistung des Eisenbahnbaus zu bewundern.

Ab Castle Junction, wo der Highway 93 sich mit dem Trans-Canada-Highway vereint, erhält er auch einen neuen Namen, Icefields Parkway. Der Highway 1 biegt kurz hinter Lake Louise nach Westen ab und wechselt beim Kicking-Horse-Pass in einer Höhe von 1627 m von Alberta nach British Columbia. Hier ist auch die Grenze zwischen dem Yoho- und dem Banff-Nationalpark, und wie schon am Vermillion Pass kennzeichnet dieser Übergang auch gleichzeitig die kontinentale Wasserscheide. Namensgebend für diesen Pass und den Fluss war ein Ereignis während der Erforschung der Gegend für den Eisenbahnbau. Der Naturforscher, Geologe und Chirurg James Hector wurde hier von seinem Pferd getreten.

Der Eisenbahnbau einer Strecke quer durch Kanada führte 1881 zu dem Entschluss, den 1858 entdeckten Kicking-Horse-Pass als Überquerung der Rocky Mountains zu wählen. Obwohl das Gelände wegen der zu erwartenden Steigungen ungünstig war, gab man dieser Streckenführung wegen der Nähe zur Grenze zu den USA und der kürzeren Bahntrasse den Vorzug. Vom Pass aus fällt das Gelände in Richtung des Ortes Field um 350 m, und es gab keine Möglichkeit, die Strecke künstlich zu verlängern, um das Gefälle zu verringern. Um Zeit und Geld zu sparen, wurden die Gleise in einer möglichst geraden Linie verlegt. Die Folge war, dass dieses Teilstück ein Gefälle von 4,5% aufwies. Das war 4mal mehr, als damals für Eisenbahnstrecken empfohlen wurde und führte in der Folge zu einer starken Belastung von Mensch und Maschine bei der Bewältigung dieses „Big Hill“ genannten Abschnitts der Canadian Pacific Railway. Einen kleinen Eindruck davon bekamen wir angesichts eines geplatzten Dampfdomes einer Lokomotive.

Wegen der ständigen Überlastung und aufgrund des zunehmenden Verkehrs wurde es unumgänglich, diese Gefahrenstelle zu entschärfen. Nach einem Vorbild aus der Schweiz wurde das Problem gelöst, indem man zwei Kehrtunnel in die gegenüber liegenden Bergflanken bohrte. Wenn man auf der Strecke westwärts fährt, erreicht man zunächst den oberen Tunnel Nr. 1, wie ihn die Eisenbahner nennen. Dieser ist 992 m lang, dreht sich im Cathedral Mountain um 288° und endet 15 m tiefer. Dadurch führt die Strecke nun fast wieder in entgegengesetzte Richtung nach Nord-West, unterquert den Trans Canada Highway, wechselt auf die andere Seite des Tales über den Kicking Horse River hinweg zum Mount Ogden. Hier wurde der Tunnel 2 in den kristallisierten Kalksteinfels gebohrt, der 891 m lang ist und sich um 226° dreht. Wiederum 15 m tiefer verlässt die Trasse den Berg und verläuft weiter gen Westen. Durch den Bau der Kehrtunnel konnte das Maximalgefälle von 4,5% auf 2,2% verringert werden bei einer Streckenverlängerung von nur 12,5 km. Nach der Fertigstellung im Jahre 1909 mussten nur noch zwei statt wie vorher vier Lokomotiven eingesetzt werden und die konnten darüber hinaus auch noch längere Züge ziehen, was die Betriebskosten erheblich senkte.

Von dieser technischen Meisterleistung konnten wir in natura allerdings recht wenig sehen, die Tunnelöffnungen liegen versteckt im Wald oder sehr weit von der Straße entfernt. Die Schautafeln und Geländemodelle auf dem Parkplatz ließen uns erahnen, was für eine technische Leistung hier vollbracht wurde.

Nur etwa 4 km weiter westlich auf dem Highway mündet die Yoho Valley Road und obwohl es wieder zu regnen begonnen hatte, wollten wir uns das nächste Natur-schauspiel nicht entgehen lassen. Die Straße führt 13 km kurvenreich in das Tal hinein, bis kurz vor dem Ende zwei wahrhafte Spitzkehren größere Fahrzeuge zum Rangieren zwingen, so eng sind die Bögen. Vom Parkplatz aus konnten wir schon hören, was uns erwartete: die zweithöchsten Wasserfälle in Westkanada. Der kurze Wanderweg eröffnete uns dann immer mehr den Blick auf die „Takakkaw Falls“, dessen Wasser aus einer Höhe von 384 m frei um 254 m herabfällt und dann über Kaskaden in den Yoho River fließt. Gespeist wird der Wasserfall vom Daly Glacier, der ein Teil des Waputik Eisfeldes ist. Entsprechend sind die Wassermassen im späten Frühjahr während der Schneeschmelze am größten, während im Winter der Wasserfluss ganz zum Erliegen kommt.

Den Namen „Takakkaw“ haben ihm die Cree-Indianer gegeben, die Übersetzung „großartig“ trifft nur unzureichend den Eindruck, den der Wasserfall bei uns hinterließ.
Einen kurzen Halt legten wir noch am „Meeting of the Waters“ am Ausgang des Tales ein. Hier vereinigt sich das vom Gletscherabrieb getrübte Wasser des Yoho Rivers mit dem durch einige Seen geklärten des Kicking Horse Rivers. Wir wollten heute noch den Ort Jasper erreichen, von der Wiederauffahrt auf den Icefields Parkway noch 230 km entfernt. Also machten wir nur noch ein paar schnelle Fotos der Eisenbahnbrücke der ersten Trasse direkt neben der Straße und verließen dann den Trans Canada Highway in Richtung Norden.

Bis zum Bow Lake steigt die Straße beständig von 1600 auf 2000 m an, bietet aber wegen der Geradlinigkeit fahrerisch keine Abwechselung. Dann wurde auch noch der Regen stärker und die Temperatur sank stetig, genau wie die Wolken. Den eigentlich sehenswerten Peyto Lake ließen wir links liegen, er war im Nebel nicht zu sehen. Auch am Mistaya Canyon fuhren wir vorbei, das Wetter war nicht verlockend für einen längeren Spaziergang auf ungesicherten Wegen entlang der Schlucht.

Wir hatten in Lake Louise genug Sprit gebunkert, sodass wir auch an der einzigen Tankstelle in Saskatchewan River Crossing keinen Halt einzulegen brauchten. Hier beim Zusammenfluss von North Saskatchewan River, Howse River und Mistaya River nutzten die früheren Reisenden und Pelzhändler des 19. Jahrhunderts die Gelegenheit, den Fluss auf dem Weg nach British Columbia zu queren. Heute ist es der einzige Ort zwischen Lake Louise und Jasper, wo man übernachten und seine Vorräte aller Art auffüllen kann und das auch nur während der Sommerzeit.

Wie gesagt, wir hatten alles an Bord und wollten nur noch ganz schnell die Regenfahrt hinter uns bringen, als es doch noch eine Abwechselung in der eintönigen Fahrt gab. Kurz vor Erreichen des Visitor Centre’s für das Columbia Icefield macht die Straße nach dem Überqueren des Nigel Creek einen Bogen nach links in ein weites Tal hinein, dessen Breite für den Aufstieg von 1500 auf 1800 m genutzt wird. In einem riesigen Bogen nach rechts geht es an der Flanke der Parker Ridge hoch, um dann nach etwa 4 km die ursprüngliche Richtung links um deren Spitze herum wieder zu erreichen.

Am Fuß des Athabasca Gletschers angekommen, war es Zeit für eine Mittagsrast. Das Visitor Centre dort ist touristisch nicht nur für den Kartenverkauf für die Snowcoaches und als Museum und Informationsstelle für die Besucher eingerichtet, sondern hat auch ein Restaurant. Die zwei riesigen Parkplätze waren wegen des Wetters nur gering belegt, entsprechend wenige Leute bevölkerten die Räume. Das Mittagessen konnten wir, ohne langes Warten an der Theke, schnell hinter uns bringen und uns in der unteren Etage ein paar Informationen zum Columbia Icefield holen. Die Snowcoaches sind speziell für die Fahrt auf den Athabasca Gletscher gebaute und ausgerüstete Autobusse mit Allradantrieb. Eigentlich war eine solche Fahrt in unserem Programm, aber der Blick hinüber zum Eisfeld, das unter einer dichten Wolkendecke lag, ließ uns von dem Plan Abstand nehmen.

Bei Schneeregen und 2°C über dem Gefrierpunkt stiegen wir wieder auf unser Motorrad und machten uns auf den Weg nach Jasper. Hinter dem Athabasca Gletscher geht es zum Glück wieder etwas bergab und als wir am Buck Lake und Honeymoon Lake wieder auf etwa 1400 m herunterkamen, hörte der Regen auf. Dennoch hatten wir an diesem Tag nur noch ein Ziel: ein passendes Motel mit Restaurant fürs Abendessen und dann ein Bett.
Das Motel „Maligne Lodge“ mit dem angeschlossenen „Buckles Restaurant“ direkt am Ortseingang von Jasper erschien uns gerade recht und so buchten wir dort gleich für mehrere Tage.

Schon am Columbia Icefield mit seinem Athabasca Gletscher hatten wir die Grenze vom Banff- zum Jasper Nationalpark überschritten. Dieser Park ist heute mit seinen 10.878 km2 der größte in den kanadischen Rocky Mountains. Der erste überlieferte Besuch von weißen Siedlern hier am Zusammenfluss von Athabasca und Miette River stammt aus dem Jahr 1810 im Rahmen einer Landvermessung. Die North West Company, die spätere Hudson’s Bay Company, richtete 3 Jahre später am etwas nordöstlicher gelegenen Brûlé Lake ein Nachschublager für die Pelzhändler ein. Die Niederlassung wurde nach einem Mitarbeiter der Gesellschaft, Jasper Hawes, benannt. „Jasper’s House“, wie man sie nannte, wurde mit dem Rückgang des Fellhandels im Jahre 1884 wieder aufgegeben.

Die kanadische Regierung richtete in dieser Region dann im Jahr 1907 den rund 13.000 km2 großen „Jasper Forest Park“ ein, der bis 1911 mit einer Eisenbahnstrecke bis zur „Fitzhugh Station“, dem heutigen Bahnhof von Jasper, touristisch erschlossen wurde. Ab 1928 konnte der Park mit der Eröffnung der Verbindungsstraße von Edmonton nach Jasper auch mit privaten Straßenfahrzeugen erreicht werden und erhielt im Jahr 1930 seinen heute offiziellen Namen „Jasper National Park“, von der UNESCO zum Welterbe erklärt.

Die Stadt Jasper selbst wurde erst im Jahre 1914 offiziell gegründet, also 7 Jahre später als die Einrichtung des „Jasper Forest Parks“. Sie liegt einzigartig komplett innerhalb eines Nationalparks, entsprechend streng ist der Zuzug von Menschen durch die kanadische Parkverwaltung reglementiert. Dauerhaft wohnen dürfen hier nur in der Stadt oder bei der Parkverwaltung Beschäftigte und deren Angehörige. Der Erwerb von Grundeigentum ist für Ausländer ausgeschlossen.

Wir hatten unter dem Treppenaufgang zu unserem Zimmer einen Parkplatz für unser Motorrad genehmigt bekommen, wo es für die zu erwartende regenreiche Nacht trocken stehen konnte. Die böse Überraschung folgte am nächsten Morgen: jemand hatte den Feuerlöscher aus dem gesicherten Kasten genommen und unser Motorrad mit dem Pulver völlig eingesprüht. Für die Regulierung eventueller Folgeschäden nahm die Polizei den Vorgang auf und die Hotelbelegschaft bemühte sich sehr, den Schaden gering zu halten. Eine vorläufige gründlichere Reinigung blieb uns aber nicht erspart, sie dauerte den ganzen Vormittag des 13. September.

Die Motel-Verwaltung bestand sogar darauf, die Kosten der Waschanlage zu übernehmen, der Vorfall war ihnen offenbar sehr peinlich. Für die nächste Nacht bekam das Motorrad einen Platz unter dem Vordach der Rezeption zugewiesen, direkt im Sichtbereich des Empfangs.

Der Nachmittag dieses Tages war zu schön, um Trübsal zu blasen, das Geschehene hatten wir so gut wie es ging, repariert. So konnten wir in unserem eigentlichen Programm fortfahren und die Gegend um Jasper herum erkunden. Der Mount Edith Cavell war als lohnendes Ziel auf unserem Plan. Die neue Straße, die 17 km vom Icefields Parkway bis zum Parkplatz an der Endmoräne führt, beanspruchte dann auch die Flanken der Reifen mal wieder. Ein sehr schöner Rundwanderweg nahm uns auf und geleitete uns dicht an den Gletschersee unterhalb des Berges. Der See war bedeckt mit schwimmenden Eisblöcken, ein kleines Abbild des Eismeeres, jedoch vor der gewaltigen Westwand des 3.363 m hohen Berges.

Die Flanke des Berges, die nach Süden hin bis auf eine Höhe von 2400 m abfällt, bildet ein Hochtal, das vom Angel Glacier bedeckt ist. Wenn man vom Gletschersee hochblickt, sehen die herabfließenden Eismassen zusammen mit dem großen Eisfeld wie ein Engel mit ausgebreiteten Flügeln aus, daher stammt der Name. Das Schmelzwasser dieses Gletschers fließt zunächst über einen Wasserfall in den See und verlässt ihn als kleiner Bach wieder, der die Mulde zwischen den Seitenmoränen bewässert und die belebte Natur sich entwickeln lässt. Überall zwischen dem zurückgebliebenen Geröll der abgeschmolzenen Gletscherzunge sprießen die Pflanzen des Hochgebirges.

Der Nachmittag war mit der kleinen Wanderung und dem Aufenthalt am Gletschersee schon weit fortgeschritten, wir beschlossen dennoch, den Umweg über die Atabasca Falls zu nehmen. Die Edith Cavell Road zweigt vom Highway 93 Alt ab, dem wir jetzt nach Süden folgten. Die wenig befahrene Straße führt durch waldiges Gelände direkt zu den Wasserfällen. Der Athabasca River hat sich hier durch eine Schicht harten Quarzits und den darunter liegenden Kalkstein gegraben und dabei eine schmale, kurze Schlucht geformt. In den Wänden der Klamm sind gut die Reste der dabei zwischenzeitlich entstandenen Wirbeltrichter zu erkennen. Obwohl das Wasser nur 23 m tief fällt, ist es die Kraft, mit der es durch den engen Spalt stürzt, die diesen Wasserfall so bekannt gemacht hat. Der Tag ging jetzt stark zur Neige und wir nahmen den schnelleren Weg über den Icfields Parkway zurück ins Motel.

Der 14. September begrüßte uns mit blauem Himmel und Sonnenschein, das richtige Wetter für unser nächstes Ziel, den Maligne Lake. Von Jasper aus fährt man ein Stück Highway 16, der auch zum Trans Canada Highway zählt, aber als eigenständiger Ast in Manitoba in der Nähe von Winnipeg vom Highway 1 abzweigt und den Kontinent weiter nördlich überquert bis er in der Stadt Prince Rupert den Pacific erreicht.

Nur wenige Kilometer stadtauswärts biegt man rechts in das Tal des Maligne River ein. Gleich am Beginn des Tales bekamen wir einen weiteren Eindruck von der heimischen Natur. Ein großer Karibubulle wechselte mit seinen Damen von einer Straßenseite auf die andere. Natürlich hielten alle Fahrzeuge an und wir konnten erleben, mit welcher Selbstverständlichkeit diese „Ureinwohner“ ihr Revier behaupteten und sich von der Zivilisation nicht stören ließen.
Die nächste Station im Tal war der Maligne Canyon. Genau wie im Marble Canyon hat sich der Fluss hier eine tiefe Schlucht gegraben, nur viel tiefer ins Gestein und viele Kilometer bis zum Talausgang. Zeitweise ist das Wasser nur zu hören, sichtbar wird es erst wieder, wenn es an etwas flacheren Stellen die Klamm wieder verlässt. An vielen Stellen der Felswand sind die Reste der ehemaligen Wirbeltrichter zu erkennen und man kann auch beobachten, wo wieder neue entstehen. Der Spaziergang bis zur 2. Brücke und zurück bis zum oberen Teil das Canyons. wo der Maligne River in die Schlucht stürzt, ließ uns wieder einmal die Kräfte der Natur bestaunen. In einem Schönheitswettbewerb liegt aber nach unserer Meinung der Marble Canyon vorne.

Aus den Reiseführern hatten wir entnommen, dass man das wohl meistfotografierte Motiv der Rocky Mountains nur mit dem Boot erreichen kann. Um nicht zu spät am Tag den Maligne Lake zu erreichen, ließen wir den Medicine Lake zunächst rechts liegen und steuerten den Parkplatz am Bootsanleger an. Es fahren mehrere Boote den Aussichtspunkt an, dennoch hatten wir bis zum Ablegen Zeit genug, eine kleine Mahlzeit einzunehmen und ein wenig die Sonne zu genießen.

Während der Bootsfahrt bekamen wir vom Bootsgast viele Informationen über die umliegenden Berge und den See selbst. Unser Ziel lag auf etwas mehr als der Hälfte der Länge des Sees, bei einer Gesamtuferlänge vom etwa 45 km dauerte die Fahrt fast eine halbe Stunde, als der Aussichtspunkt nach der Fahrt durch die Samson Narrows in Sicht kam. Diese Engstellen im See sind nach Samson Beaver benannt, einem Indianer des Stoney-Stammes, der die ersten Hinweise auf den See an die weißen Siedler gab. Wiederum durch eine für den Eisenbahnbau ausgesandte Expedition kam als erster Weißer Henry McLeod 1875 an den See.

Für die Touristen gibt es hier am Endpunkt der Bootstour einen kleinen Anleger und auch sanitäre Anlagen. Letzteres bei der Abgeschiedenheit und Beliebtheit dieses Platzes wirklich notwendig. Und dann konnten wir auf einem kleinen Rundweg erst am Ufer entlang, dann etwas den Hang hinauf unsere Fotos von „Spirit Island“ machen. Aus eigener Anschauung konnten wir sehen, dass diese kleine Insel nicht ohne Grund eines der begehrtesten Fotomotive ist.
Wir ließen während der Rückfahrt noch einmal aus etwas anderer Sicht die Berge mit ihren Gletschern und Wäldern auf uns wirken, dann nutzten wir den Spätnachmittag für eine kleine Fotopause am Medicine Lake. Wenn man den Maligne River in seinem Flusslauf verfolgt, fällt auf, dass deutlich mehr Wasser in den See hinein-, als wieder hinausfließt. Das hat seine Begründung in dem Karstgebiet, in dem er liegt. Der Maligne River speist eines der größten unterirdischen Flusssysteme der Erde. Schon bei den „First Nations“ war bekannt, dass das Wasser auf unerklärliche Weise verschwindet, der See Wintertags bei nur geringer Gletscherschmelze gar ganz austrocknet. „Große Medizin“ also und daher hat er seinen Namen.

Weil Kanada auch als das Land der Bären bekannt ist und wir bis dahin Meister Petz noch nicht zu Gesicht bekommen hatten, wollten wir unbedingt einmal dieses große Raubtier in seiner natürlichen Umgebung beobachten. Da dieses kein ganz ungefährliches Unterfangen ist, schlossen wir uns einer „bear-watching-tour“ an. Der Busfahrer sammelte uns vor unserem Motel ein, brachte uns mit der übrigen Gesellschaft zu sehr schönen Plätzen, wo Karibus, Bergziegen und der Pyramid Lake zu bewundern waren, doch bei aller Ausschau bekamen wir keinen Bären zu sehen. Etwas enttäuscht, weil die Tour nicht ganz billig und doch für uns letztlich erfolglos war, gönnten wir uns ein gutes Abendessen und sortierten unsere „Siebensachen“ für die Abreise am nächsten Morgen.

Mit dem Ort Jasper hatten wir auch den in unserer Wunschliste nördlichste Stadt in Alberta erreicht. Den Highway 16 fuhren wir jetzt nach Westen aus dem Ort hinaus, vorbei am Whistler Mountain, auf den die Jasper Tramway führt, die höchste und längste Seilbahn in Kanada. Aber auch an diesem Morgen war der Berg in tief hängenden Wolken versteckt, wir mussten uns den Besuch versagen.

Der Highway 16 erreicht seine höchste Stelle am Yellowhead Pass auf etwa 1100 m Höhe. Hier verläuft auch die Grenze zwischen Alberta und British Columbia. Namensgeber für den Pass war der Métis-Trapper Tête Jaune, auf englisch „Yellowhead“, wegen seiner hellen Haare wurde er so genannt. Die Métis waren die Nachkommen von weißen Siedlern und indianischen Frauen, die eine eigene Volksgruppe gebildet hatten und sich oft als Trapper oder Scouts verdingten. Aus Korrespondenzen und Handelsberichten weiß man, dass er den Pass um das Jahr 1819 entdeckt haben muss.

Wenn man den Yellowhead Lake passiert hat, wendet sich der Highway 16 noch einmal etwas in nördliche Richtung, dem Tal des Yellowhead Creek folgend. Dort erreichten wir den nördlichsten Punkt unserer Reise, den Mount Robson Provincial Park mit seinem namens gebenden Berg. Vom Mount Robson wird in vielen Beschreibungen und inoffiziellen Namensgebungen, wie z. B. „Cloud Cap Mountain“, besonders auf eine Eigenheit hingewiesen: er ist meist von Wolken verdeckt. Für uns machte er diesem Namen alle Ehre, so ließen wir den mit 3954 m höchsten Berg der kanadischen Rocky Mountains ungesehen rechts liegen.
In Tête Jaune Cache verließen wir den Trans Canada Highway 16 und wandten uns wieder nach Süden. Der Highway 5 brachte uns stetig bergab sehr gerade nach Valemount. Mit der Besserung des Wetters war auch die Freude am Fahren wiedergekommen, zum Wohlbefinden fehlte noch ein Café, das wir im Ort fanden. Gestärkt und unter leicht bewölktem Himmel erreichten wir am frühen Nachmittag den Ort Clearwater. Dieser Ort ist das Eingangstor zum Wells Gray Provincial Park.

Im Visitor Centre direkt an der Hauptstraße erkundigten wir uns nach einer Unterkunft und entschieden uns dieses Mal wieder für ein B&B. Das „Red Top“ schien uns anhand des Hausprospektes geeignet. Weil wir für 2 Nächte bleiben wollten, war dort nur eine „Cabin“ frei. Wir hatten auf der gesamten Reise bisher noch nie eine solche Unterkunft gehabt und weil wir diese Art des Übernachtens auch einmal kennen lernen wollten, buchten wir uns direkt vom Visitor Centre aus ein. Bei der Auffahrt auf den Parkplatz vorm Haus begrüßte uns die holländische Flagge und wie wir schon beim Lesen der Namen der Gastgeber, Olaf und Marieke Oud, vermutet hatten, eine ebensolche Auswandererfamilie.

Die „Cabin“ erwies sich als kleine, saubere Holzhütte etwas abseits des Haupthauses mit allen nötigen Einrichtungen für eine Übernachtung. Unter einer großen Tanne gelegen trug sie den Namen „Fircone Falls“. Von der kleinen angebauten Veranda aus hatten wir einen sehr schönen Blick über das Tal des North Thompson River hinweg auf den Foghorn Mountain. Wir richteten uns häuslich ein und beschlossen den Tag mit einem Abendessen im „Painted Turtle Restaurant“ am Dutch Lake, das uns die Gastgeberin empfohlen hatte.

Der Wells Gray Provincial Park liegt im Westen der Cariboo Mountains am Übergang zum „Interior Plateau“, einem flachen Gebiet, das sich in einer Höhe von etwa 1100m bis zum Küstengebirge erstreckt. Die Fläche des Parks umfasst 5.400 km2, die hauptsächlich den Bereich um den Clearwater River und seiner Nebenflüsse liegt. Er wurde im Jahr 1913 eingerichtet und nach einem Minister der Provinzregierung benannt, Arthur Wellsley Grey.
Zusammen mit zahlreichen anschließenden National- und Provinzialparks gibt es hier ein nahezu geschlossenes Naturschutzgebiet über 810.000 Hektar. Große Teile, speziell die, die wir besuchen wollten, wurden in Zeiten vulkanischer Aktivität gebildet. Erst überzogen Lavaströme das Land, später hobelten Gletscher die Vulkane wieder glatt und die Erosion durch das Schmelzwasser tat das Übrige, um diese wilde Landschaft entstehen zu lassen. Am Mount Goddall erreichen die Berge eine Höhe von 2.911 m, im Tal des Clearwater River sind es lediglich 500 m. Bis heute sind viele Teile unzugänglich geblieben und selbst die Goldsucher während des Cariboo-Goldrausches fanden hier keine gangbare Route zur Überquerung der Cariboo Mountains.

Für uns als Kurzzeitbesucher war der so genannte „Wells Grey Korridor“ die ideale Möglichkeit, einen Teil der Naturwunder im Park zu erreichen. Die Clearwater Valley Road erschließt dieses Gebiet. Sie zweigt im Ort vom Highway 5 nach Norden ab und führt über 70 km bis zum Clearwater Lake.

Schon nach etwas mehr als 10 km stößt man auf die Spahats Creek Falls. Die Quelle des Baches liegt zwischen Raft- und Trophy Mountain in einer Höhe von etwa 1.600 m, von wo er zunächst etwa 15 km weit nach Westen fließt und dann über die Spahats Falls 60 m tief herabstürzt, bis er kurz danach in den Clearwater River mündet. Spahats ist der indianische Name für Bär und der Bach war lange bekannt als „Bear Creek“. Als die erste genaue Landkarte des Tales im Jahr 1953 erstellt wurde, übernahm man zunächst diesen Namen. Da es in Kanada aber viele „Bear Creeks“ gibt, bekam dieser in den späten 1960ern den indianischen Namen zur Unterscheidung.

Nach weiteren etwa 30 km erreicht die Straße die Dawson Falls. Dies ist einer der insgesamt sieben Wasserfälle des Murtle Rivers auf seinem Weg vom Austritt aus dem Murtle Lake bis zur Mündung in den Clearwater River. Ein kurzer Fußweg führt zur oberen Kante des Wasserfalles, der hier etwa 20 m tief von einem Lavafeld herunterstürzt, das vor ca. 200.000 Jahren entstand. Das untere Flussbett besteht aus kompaktem Sediment eines Flusses, der hier schon seinen Lauf vor der Eruption hatte. Nur 600 m weiter flussabwärts, wo auch die einzige Brücke über den Fluss führt, gibt es eine Fallstufe, genannt „The Mushbowl“. Hier geht es nochmals 5 m nach unten. Die geologische Ursache für diesen Wasserfall ist aber ein Fels, der seit dem erdgeschichtlichen Kambrium der Erosion widerstanden hat.

Dawson Falls, auch „Kleiner Niagara Fall“ genannt, wurde vom Landvermesser Robert Henry Lee nach George Herbert Dawson benannt, als er in den Jahren 1913/14 einen Übergang für die Eisenbahn über die Cariboo Mountains suchen sollte. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Helmcken Falls von ihm entdeckt, die im weiteren Verlauf des Murtle Rivers die letzte Fallstufe vor dem Erreichen des Clearwater Rivers bildet.

Nach nur weiteren 2 km zweigt eine Naturstraße von der Clearwater Valley Road ab, die
3 km später am Parkplatz vor dem kurzen Fußweg zu den Helmcken Falls endet. Hier fällt der Fluss vom Murtle Plateau 141 m in die Tiefe und wäscht dabei eine riesige Höhle ins Gestein. Diese Kaverne und die enge Schlucht, in die das Wasser fällt, erzeugen einen unbeschreiblichen Klang. An den Wänden des Murtle Canyons, durch den der Fluss bis zu seiner Mündung fließt, kann man sehr gut Einblick in die Erdgeschichte nehmen. Hier sind die vielen Schichten früherer Lavaflüsse zu erkennen und die Wirkung der Gletscherwanderung in der letzten Eiszeit. Benannt wurde der Wasserfall nach dem deutschstämmigen Arzt John Sebastian Helmcken, der im Auftrage der Hudson’s Bay Company in British Columbia tätig war und mithalf, das Land der Kanadischen Konföderation anzugliedern. Helmcken selbst hat den Wasserfall nie besucht.

Nach einem langen Spaziergang an der nördlichen Kante des Murtle Canyons entlang bis fast zum Clearwater River kehrten wir zu unserem Motorrad zurück, um ein weiteres Naturschauspiel zu beobachten.

Am Abzweig des Waldweges zu den Helmcken Falls in Richtung Clearwater Lake endet der Asphalt und es geht auf Schotter und festgefahrenem Lehm weiter. Nach fast 56 km, gerechnet von Clearwater aus, erreichten wir den Zugang zur Bailey’s Chute. Hier am Clearwater River ist eine bekannte Stelle zur Lachsbeobachtung. Die Zeit der Lachswanderung ist Anfang September zwar schon zu Ende, wir konnten dennoch etliche Fische beobachten, wie sie mit aller Kraft die Stromschnellen flussaufwärts überwanden um ihre Laichplätze zu erreichen.
Nach diesen vielen Eindrücken machten wir auf der Rückfahrt am späten Nachmittag keinen weiteren Halt mehr. Mit einem phantastischen Sonnenuntergang über den Foghorn Mountains endete der Tag.

Der 17.09. begann mit einem reichhaltigen Frühstück und nebenbei geführten Gesprächen mit unseren Gastgebern. Als gebürtige Niederländer war die Unterhaltung in deutscher Sprache möglich und wir bekamen hier einen etwas tieferen Einblick in die kanadischen Lebensumstände. Marieke hatte nach dem Frühstück nicht mehr viel Zeit für uns, sie musste zum Einkaufen nach Kamloops, mal eben 125 km hin und auch wieder zurück. Olaf hatte als Winter-Trucker jetzt Zeit, sich um das Anwesen zu kümmern und es weiter auszubauen.

Der Besuch des Wells Gray Provincial Parks war eigentlich so nicht geplant, wie auch die Übernachtung in Clearwater nicht. Wir hatten hier wieder eine größere Routenänderung vorgenommen, um nicht noch einmal in Cache Creek zu landen, wo wir ja schon waren. Weil wir auch den doch sehr geraden Highway nach Kamloops und die Stadt selber meiden wollten, folgten wir Olafs Rat, den Weg über den Intelakes Highway zu nehmen.

Wir ließen uns Zeit beim Packen des Motorrades in der Morgensonne und waren so am späten Vormittag wieder „on the Road“. Der Highway 5 brachte uns zwar schnell, aber sehr gerade nach Little Fort, wo der Highway 24 abzweigt. Die Kurven hoch auf die bergige Hochfläche waren eine Wohltat nach dem öden Geradeausfahren. Bei schönstem Sonnenschein und milden Temperaturen genossen wir, nur unterbrochen durch ein paar Fotostopps, die knapp 100 km lange Strecke von einem See zum nächsten und waren Olaf dankbar für den Tipp. Der Interlakes Highway machte seinem Namen alle Ehre.

Leider endet in 93 Mile House der Highway 24 an der alten Cariboo Road, dem heutigen Highway 97. Der Name dieses Ortes, wie auch vieler anderer an der Cariboo Road, resultiert aus der Entfernung von Lillooet aus. Es waren alles markante Punkte, an denen Versorgungsstationen für die Goldgräber errichtet wurden, die nordwärts während des Cariboo-Goldrausches zu den Goldfeldern unterwegs waren.

Bis kurz vor Clinton am südlichen Ende des Cariboo Country ging es wieder sehr geradeaus auf dem Highway 97. Ab hier macht sich dann schon das Küstengebirge bemerkbar, das uns bis Lillooet wieder kurvenreichere Straßen bescherte. Den Cariboo Highway verließen wir kurz vor Hat Creek, wo der Highway 99 als Duffey Lake Road beginnt. Dies ist eine der in unserem Sinne schönsten Straßen der gesamten Tour, die wir später auch noch weiter nach Westen unter die Räder nahmen. Sie wechselt vielfach die Himmelsrichtung, schlängelt sich durch die Täler um den Calcite Peak herum, durch den Marble Canyon am Pavillon Lake vorbei mit dem markanten Chimney Rock, von den Ureinwohnern „Coyote’s Penis“ genannt.

Der Marble Canyon an dieser Stelle hat einen anderen Ursprung als der im Kootenay National Park. Dieser hier entstand durch eine zusammengefallene Karstformation, doch dort wie hier bestehen die Wände des Tales aus kristallisiertem Kalkstein, der dem richtigen Marmor sehr ähnlich sieht. Die nördliche Felswand ist 965 m hoch, die südliche 515 m, dazwischen liegt die jetzt durchfahrene Marble Range. Eine weitere Seltenheit, die man aber trockenen Fußes nicht zu Gesicht bekommt, sind die Stromatolithen im Pavilion Lake. Diese ungewöhnlichen Steinstrukturen entstehen unter Wasser durch die Arbeit von Mikrobakterien, die den Kalk des Wassers ausfällen und korallenähnliche Gebilde erzeugen. Im Pavilion Lake existiert die größte Stromatolithenansammlung der Welt in einem Süßwassersee.

Nach einem 90° Bogen nach Südwesten um Mount Cole herum nähert sich die Straße dem Tal des Fraser Canyons. Hier liegt der Ort Pavilion, der zur Reservation Pavilion 1 gehört. Der Ursprung auch dieses Ortes ist auf den Cariboo-Goldrausch zurückzuführen. Der Häuptling des hier ansässigen Indianerstammes errichtete ein Zelt mit einem großen weißen Tuch als Zeichen für einen „friedlichen Indianer“ und trieb Handel mit den Goldsuchern. Auch zweigt an dieser Stelle die „Old Cariboo Road“ vom Highway 99 ab, der ursprünglich kürzere Weg nach Clinton über den Pavilion Mountain. Auch die später gebaute Eisenbahn nutzt heute noch diese Verbindung.

weiter